Deutschland ist viertgrößter Exporteur von Waffen und Rüstungsgütern
Die Bundesregierung bescheinigt sich selbst eine strenge und restriktive Genehmigungspraxis bei Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Dies steht jedoch in krassem Widerspruch zu den Fakten: Deutschland ist laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut sipri weltweit der viertgrößte Exporteur von Militärgütern. Über 130 Länder der rund 200 Länder dieser Welt sind ganz legal Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.
Grundlage der deutschen Waffenexportpolitik sind verschiedene nationale und internationale Gesetze, Verordnungen, Richtlinien der Europäischen Union sowie die Politischen Grundsätze der Bundesregierung zu Waffenexporten. Der Friedensauftrag des Grundgesetzes sowie das in Artikel 26 des Grundgesetzes formulierte Verbot mit einem Erlaubnisvorbehalt hinsichtlich der Herstellung, Beförderung und Verbreitung von zur Kriegsführung bestimmten Waffen erfordern einen besonders sorgfältigen Umgang mit Rüstungsgütern.
Regeln für Waffenexporte sind nur auf dem Papier streng
Auf den ersten Blick und für Nicht-Juristen sieht es so aus, als würde Deutschland Waffenexporte nur in Länder erlauben, in denen die politische und menschenrechtliche Situation einwandfrei ist, keine Spannungen herrschen und kein Krieg geführt wird. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Bundesregierung einen erheblichen Ermessenspielraum bei der Genehmigung von Rüstungsexporten hat, den sie auch voll ausschöpft. Die Liste der Empfängerländer in den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung bezeugt, dass Genehmigungen für Exporte von Kleinwaffen, Panzern oder Kriegsschiffen in Staaten mit bedenklicher Menschenrechtslage und offenen bewaffneten Konflikten erteilt werden, so zum Beispiel nach Ägypten, Saudi-Arabien und Pakistan. Waffen und Waffentechnologie aus Deutschland spielen entsprechend bei einer Vielzahl der heutigen gewaltsamen Konflikte und Kriege eine Rolle. Nicht selten sind die Käuferländer der Vergangenheit die Kriegsschauplätze der Gegenwart – Beispiele hierfür sind etwa Irak, Pakistan und Sudan.
Rüstungsexporte in Zahlen
Den Rüstungsexportbericht für 2020 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Juni 2021 veröffentlicht. Daraus folgt, dass die Bundesregierung im Jahr 2020 Einzelexportgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von € 5,824 Mrd. erteilt hat. Im Vorjahr lag diese bei € 8,015 Mrd. Der Anteil der Exporte in Drittländer betrug € 2,92 Mrd. (2019: € 3,53 Mrd.). Im Jahr 2020 wurden Sammelausfuhrgenehmigungen in Höhe von € 402,2 Mio erteilt (2019: € 508,5 Mio.). Unter den Top 10 der deutschen Waffenempfänger befanden sich neben dem NATO-Partner USA auch sechs Drittländer, die zu den Empfangsländern mit den höchsten Genehmigungswerten gehören. Darunter Ägypten, Katar und Brasilien. Eine Auswertung des aktuellen Rüstungsexportbericht 2020 ist auf der Startseite zu finden.
Neben dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung veröffentlicht die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) jährlich einen kritischen Rüstungsbericht. Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sowie der GKKE werden hier dokumentiert. Deutschland zählt laut Studie des Stockholmer Friedensinstituts sipri im Jahr 2019 zu den vier größten Rüstungsexporteuren weltweit. Zu den größten deutschen Rüstungsunternehmen gehören die Airbus Group, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Thyssen-Krupp sowie Heckler & Koch.
Pistolen, die über Umwege nach Kolumbien gelangt sind, Sturmgewehre des Typs G36 von Heckler und Koch, die in Mexiko bei der Verschleppung von Studenten eingesetzt wurden – es gibt mehrere Beispiele, die zeigen, dass deutsche Kleinwaffen in den letzten Jahren unkontrolliert in Konfliktgebiete gelangen konnten. Um das Risiko der illegalen Weiterverbreitung von Kleinwaffen zu senken, müssen Empfänger wie bei allen anderen Rüstungsgütern auch für Klein- und Leichtwaffen eine sogenannte Endverbleibserklärung unterzeichnen. Damit versichern sie, dass Klein- und Leichtwaffen nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung über das Empfängerland hinaus weitergegeben werden dürfen. Seit dem Jahr 2017 wurden zudem in einem Pilotprojekt, das im Mai 2019 ausgelaufen ist und das gegenwärtig evaluiert wird, erste Post-Shipment-Kontrollen durchgeführt. U.a. in Indien, den VAE und Südkorea wurde vor Ort der Endverbleib der gelieferten Kleinwaffen bei staatlichen Empfängern überprüf. Die Kontrollen führten in den vorliegenden Fällen zu keinen Beanstandungen. Kritiker bemängeln jedoch die geringe Anzahl an Kontrollen – in der vergangenen zweijährigen Pilotphase wurden vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) lediglich sieben Kontrollen durchgeführt. Im Vergleich dazu führten die USA jährlich rund 100 Kontrollen durch. Der abschreckende Effekt ist demnach ungleich höher. Es steht zu befürchten, dass so auch weiterhin deutsche Klein- und Leichtwaffen unkontrolliert in Krisengebieten illegal verbreitet werden.
Lizenzen
Deutsche Waffen werden nicht nur in Deutschland hergestellt, sondern es gibt auch so genannte Lizenzproduktionen. Die Lizenzvergabe selbst ist nicht genehmigungspflichtig. Allerdings ist die Ausfuhr der zur Herstellung notwendigen Technologie, des Know-Hows sowie der Herstellungsausrüstung genehmigungspflichtig. Das heißt, dass Waffenfabriken im Ausland nur mit der Erlaubnis der Bundesregierung legal deutsche Waffen produzieren können.
Im Hinblick auf die weitere unkontrollierte Verbreitung deutscher Militärtechnologie ist die Vergabe von Lizenzen zum Bau von Waffen von Bedeutung. Dies zeigt die Geschichte des Sturmgewehres G3, für das zwischen 1961 und fünfzehn Lizenzen zum Nachbau an folgende Länder gegeben wurden: Portugal (1961), Pakistan (1963), Schweden (1964), Norwegen (1967), Iran (1967), Türkei (1967), Saudi Arabien (1969), Frankreich (1970), Thailand (1971), Brasilien (ca. 1976), Griechenland (1977), Mexiko (1979), Myanmar/Birma (1981), die Philippinen und Malaysia. [1] Diese Lizenzvergaben waren folgenreich und sind es bis heute. So sind etwa die Milizen in der sudanesischen Region Darfur (Sudan) mit G3-Gewehren ausgerüstet. Es wird vermutet, dass sie aus dem Iran stammen. Aber nicht nur die unkontrollierte Weiterverbreitung wurde durch die Lizenzen ermöglicht, sondern diese ermöglichten es zudem zahlreichen Ländern, erstmals eine eigene Kleinwaffen- und Rüstungsindustrie aufzubauen.
Das Sturmgewehr G 36 von Heckler & Koch trat die Nachfolge des G3 an. Trotz der Erfahrungen mit dem G3 wurden auf für dieses Gewehr wieder Lizenzen verkauft und wurde damit der unkontrollierten Verbreitung auch dieser Schusswaffen Vorschub geleistet. So erhielt z.B. Saudi Arabien 2008 eine Lizenz zum Bau des Sturmgewehrs G36 von Heckler & Koch.
Deutschland gehört weltweit zu den größten Herstellern von Kleinwaffen, d.h. von Sturmgewehren, Pistolen und Revolvern[2]. Das deutsche Unternehmen Heckler & Koch GmbH zählt zu den globalen Marktführern. Kleinwaffen machen in ihrem Wert nur einen kleinen Teil der deutschen Rüstungsexporte aus. Allerdings sind sie der tödlichste davon. Kleinwaffen müssen als die Massenvernichtungswaffen von heute gelten. Durch die rund 875 Millionen weltweit im Umlauf befindlichen Gewehre, Maschinenpistolen und Pistolen[3] werden laut Angaben von UNICEF mehr Menschen getötet, als durch alle anderen Waffen. Entsprechende Informationen sind auch auf der Homepage des Auswärtigen Amts zu lesen. [4] Bis zu 90 Prozent aller Kriegsopfer fallen heute diesen unter dem Begriff Kleinwaffen zusammengefassten Waffen zum Opfer. Über 1.300 Menschen sterben durch sie jeden Tag[5], d.h. fast jede Minute stirbt ein Mensch durch Kleinwaffen. Kleinwaffen verursachen aber nicht nur mehr Opfer als jede andere Waffenart, sondern verschärfen Konflikte und destabilisieren Gesellschaften. Bei einer durchschnittlichen Verwendungsdauer von 30-50 Jahren, stellt ihre massenhafte Verbreitung nicht nur heute, sondern auch zukünftig ein unkalkulierbares Risiko und ernsthaftes Problem für den Frieden, die Sicherheit und die soziale Stabilität vieler Staaten und Gesellschaften dieser Welt dar.
Exporte in Entwicklungsländer und Diktaturen
Etwa drei Viertel der Länder dieser Welt decken sich mit Waffen und sonstigen Rüstungsgütern aus deutschen Waffenschmieden ein. Darunter finden sich Entwicklungsländer – auch die ärmsten – ebenso wie Länder, denen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International regelmäßig schwere Menschenrechtsverstöße nachweisen. Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung belegen, dass sogar die ärmsten Entwicklungsländer Kunden der deutschen Rüstungsindustrie sind. Beispielsweise wurden vom 1. Januar 2017 bis 25. Juli 2019 Rüstungsexporte im Wert von 2.426 Milliarden Euro in Entwicklungsländer genehmigt. Unter den TOP-5 Ländern befinden sich u.a. Ägypten, Indien und Pakistan. Für das Jahr 2020 wurden Rüstungsgüter im Wert von € 1,05 Mrd. an Entwicklungsländer genehmigt.
Hermesbürgschaften/Exportkreditgarantien für Waffenverkäufe
Der Verkauf von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern wird teilweise staatlich gefördert. Eine besondere Rolle spielen hier die so genannten Exportkreditgarantien bzw. „Hermes-Bürgschaften“ oder auch Hermesdeckungen. Durch diese Bürgschaften übernimmt die Bundesregierung die wirtschaftlichen und politischen Risiken, die für Exporteure mit der Waffenlieferung in bestimmte Länder verbunden sind. Das bedeutet, dass im Schadensfall, also wenn der Käufer nicht zahlt, aus deutschen Steuergeldern die Außenstände des Exporteurs aus dem betreffenden Geschäft i.d.R. in Höhe von 90% bzw. 95% beglichen werden.
[1] DAKS-Newsletter Nr. 61, 2010: Lizenzlexikon Heckler & Koch: G3 und HK33, S. 5f
[2] Small Arms Survey 2010
[3] Small Arms Survey 2010
[4] Auswärtiges Amt, Artikel vom 20.07.2016: https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Abruestung/MinenKleinwaffen/KleinLeichtWaffen.html
[5] UNICEF: „Kleinwaffen – eine weltweite Bedrohung. Tödliche Geschäfte. file://devshome01.iam.gpd/user/homes/pfuerst/Downloads/i0068-kleinwaffen2006-02-pdf.pdf